Selbstbestimmt, souverän und frei – nur klischeehafte Floskeln? Was genau meine ich damit?

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Selbstbestimmt, souverän und frei – Worte, die groß klingen und dennoch oft verschwenderisch und inflationär benutzt werden. Haben sie wirklich noch Wert? Und wenn ja, welchen?

Oft nutzen wir tolle Worte, um andere von etwas zu überzeugen, diese anzulocken und denen schließlich etwas zu verkaufen. Egal ob es ein Produkt ist, ein Kurs, eine Ausbildung, eine Reise, ein Dating-Plattform-Abo oder eine neue Technik, ein neues Mittel zur Erlangung von Erleuchtung oder Unsterblichkeit. Vielleicht auch einfach nur für Glück, Wohlsein und Freude. 

Alles, was sie uns verkaufen wollen, ist ein besseres Leben, ein schöneres, ein genussvolleres, ein freudvolleres, ein lebenswerteres. Und wir greifen zu. Solche großen Worte, wie Selbstbestimmt, Souverän und frei, locken uns. Sie triggern unseren Mangel und versprechen uns die Fülle. Begeistert folgen wir diesen Worten und sind voller Hoffnung auf die Erlösung von unserem Dasein, wünschen uns bessere Tage, noch mehr Spaß und die absolute Erfüllung.

Wie oft sind wir schon solchen Worten gefolgt? Und wie oft blieben wir am Ende doch wieder mit uns selbst zurück?

Ein Stück Erfüllung konnten wir vielleicht naschen, doch fielen wir wieder hinab in unseren Mangel, in unsere Bedürftigkeit, in eben diesen Zustand, in dem wir noch nicht gänzlich angekommen sind, in dem uns solche großen Worte weiterhin die Möhre der Erfüllung vor die Nase halten, wie vor einem Esel, damit er sich bewegt. Und so bewegen wir uns immer wieder von etwas weg und auf etwas zu. Sich zu bewegen ist nicht verkehrt. Nur der Antrieb dahinter ist trügerisch. So fühlen wir uns nie ganz in Ordnung, nie ganz im Reinen mit der Welt, nie ganz fertig und vollständig. Aber das macht ja nichts. Denn wir haben ja das Ziel vor Augen, das uns die Erlösung verspricht. Und wir gehen voller Freude darauf zu. Wir kaufen uns, was uns beworben wurde, geben Geld aus, für die großen Versprechungen und fühlen uns toll. Bis diese verblassen. Doch bevor wir gänzlich die Leere spüren, die all das zurücklässt, hängen wir schon dem nächsten Ding nach. Immer auf Achse, immer on the run.

Manche hangeln sich von Ast zu Ast. Ihr Leben lang. Und kommen damit zurecht. Manchen bricht aber so ein Ast weg und sie stürzen auf den harten Boden der Tatsachen. Und manche bekommen den Irrsinn schon mit, während sie sich von Ast zu Ast schwingen und stoppen und hinterfragen und bemerken, dass irgendwas nicht stimmt. Doch was stimmt da nicht? Das System? Die Werbung? Die Gesellschaft? Oder sind wir selbst es? Sind wir einfach nicht ganz gesund? Sind wir falsch? Funktionieren wir nicht richtig?

Wenn uns das Außen erschüttert und unsere Aggression dagegen nichts unternehmen kann, dann zweifeln wir an uns und die Aggression nach Außen wird zur Depression im Inneren.

Dann glauben wir nicht mal mehr den großen Sprüchen und Worten, weil sie uns doch nicht geholfen haben. Wir werden spöttisch, zynisch und sarkastisch und graben uns in unser Selbstmitleid ein. Wir gestalten uns die Welt im Inneren so, dass uns das Außen nichts mehr anhaben kann. Wenn ich davon überzeugt bin, dass alles scheiße ist – ich eingeschlossen – dann tut mir nichts mehr weh, was mir das bestätigt. Dann kriege ich meine Bestätigung, die ich brauche, damit sich mein Weltbild festigt, welches mir Halt und Schutz bietet. Dann fühle ich mich eben auf diese Art und Weise sicher. Und darum geht es uns: Sicherheit und Kontrolle. Egal wie. Hauptsache, wir haben irgendeinen Ast, der uns nicht abbricht und uns so lange hält, bis wir sterben. Eben solange, dass wir nicht fühlen und ertragen müssen, was wir eigentlich im Inneren erleben und wovor wir wegrennen.

Doch was ist das? Sinnlosigkiet? Angst vor dem Tod? Die Angst, im Leben nichts erreicht zu haben? Panik davor, dass mit uns etwas nicht stimmt? Leere? Hilflosigkeit? Machtlosigkeit? Ohnmacht? Unzufriedenheit? Lethargie? Erschöpfung? Dem wollen wir entfliehen. Und statt dessen wollen wir Macht, wir wollen Kontrolle, wir wollen unser Leben so haben, wie wir es wollen. Und klappt alles, fühlen wir uns berauscht und großartig. Wir haben das Leben besiegt. Wir haben den Berg erklommen. Uns geht es gut und wir stehen auf der Sonnenseite. Die perfekte Beziehung, der tolle Job, das riesige Einkommen oder einfach auch nur die Erfüllung in dem, was wir tun. Was ist das? Diese Erfüllung? Doch nur etwas, das wir bekommen. Etwas, dass uns die Dinge geben, damit wir uns toll fühlen.

Es geht ständig nur darum, dass wir uns toll fühlen.

Tun wir das nicht, machen wir uns auf, dass wir es tun. Tun wir es, machen wir alles, damit das Gefühl bleibt. Doch allem liegt ein Antrieb zugrunde: Angst davor, wir könnten uns schlecht fühlen. Angst davor, wir müssten fühlen, was bliebe, wenn all das zusammenbricht. Angst davor, wir können es nicht halten, nicht kontrollieren, nicht immer wieder herstellen. Angst davor, zu scheitern. Oder einfach nur: Angst.

Wenn Angst unser Antrieb ist, wie können wir dann jemals frei, souverän und selbstbestimmt sein? Selbstbestimmt – Was heißt das eigentlich?

Selbstbestimmt oder vom Selbst bestimmt?

Um es auf den Punkt zu bringen: Bist du wirklich selbstbestimmt oder permanent von deinem Selbst bestimmt? Dieses kleine Selbst, dass jeden Tag etwas anderes braucht, um sich lebendig, berechtigt und gut zu fühlen – Heute dies, morgen das. Was es bekommt, stellt es kurz zufrieden, nur um dann im nächsten Moment weiter nach Erfüllung zu suchen. Dinge werden benutzt, leer gesaugt, weggeworfen. Pläne, Träume, Ideen und Werte sind austauschbar, je nach dem, wie sie in das aktuelle Selbstbild passen. Dieses Selbst wirkt wie ein festes Etwas, doch ändert sich ständig. Seine Meinungen, seine Überzeugungen, seine Ansichten. Was gerade passt, wird benutzt, um sich im eigenen Selbst zu suhlen, dieses zu stärken und zu erheben. Es zieht uns wie ein Hund an der Leine von einem Baum zum nächsten, nur um daran zu pinkeln und weiter zu gehen. Wie der Hund auch, ist dieses Selbst voll von Zwängen. Und sind wir uns dieses Selbst nicht bewusst, sind wir vereinnahmt und identifiziert von und mit unseren Zwängen. Oder sollte ich besser sagen „infiziert“? Denn es ist eine suchtvolle Krankheit.

Sich ständig schlecht zu fühlen, sich ständig erheben zu müssen, sich ständig Gedanken um sich, sein Leben und die Welt zu machen IST die Krankheit.

Nicht die Probleme, die uns beschäftigen, sind das Problem, sondern dieser Mechanismus selbst, der ständig Probleme sucht und generiert und dann nicht von ihnen ablassen kann, ist das Problem. Dieses Selbst kann sich nicht von sich losmachen. Es ist sein Mittelpunkt. Es muss sich beschützen, bewahren und versichern. Es bestimmt unser gesamtes Leben. Doch ist dieses Selbst immer kleiner als dieses, welches es im Morgen sieht. Es kann nicht ankommen. Es besteht aus diesem Mangel, aus dieser Leere, aus dieser Angst. Würden wir ankommen, wäre es fort. Doch wenn wir fest mit ihm verbunden sind, kann es nicht verschwinden, weil wir befürchten müssten, mit ihm mitzuverschwinden. Doch wenn wir uns dessen bewusst werden, uns hin und wieder hinsetzen und überprüfen, was in uns vorgeht, uns unserer Mechanismen gewahr werden und ein Gespür für dieses Selbst bekommen, dann spüren wir auch, wie es uns von Baum zu Baum zieht. Dann werden wir zwar immer noch von einem Wunsch zum nächsten Ziel, von einem Bedürfnis zum nächsten Spaß geschliffen, doch wir kriegen jetzt mit, dass da etwas in uns permanent an uns zieht. Und wir bemerken, dass wir selbst es sind, der für unsere Rastlosigkeit und unsere Unruhe und schließlich unsere Angst verantwortlich ist. 

Das ist das erste, was wir machen müssen: Gewahrsein entwickeln, um zu erkennen, was hier überhaupt vor sich geht.

Dadurch entfernen wir uns von der Identifikation mit dem Hund und werden uns der Leine gewahr, an die wir gebunden sind. Darauf folgend können wir uns fragen: Wer ist denn derjenige, der die Leine hält? Wir wenden den Blick vom Hund (unser kleines Selbst) weg und schauen ans andere Ende der Leine. Wer ist es, der sich all dem gewahr wird? Der sich, seine Gedanken, seine Emotionen beobachtet und wahrnimmt? Eine sehr spirituelle Frage, die Kernthema jeder Praxis zur Selbsterkenntnis ist.

Selbst-Erkenntnis. Das wahre Selbst erkennen. Dieses Selbst, dass am anderen Ende der Leine ist. Bekommen wir ein Gespür für dieses Selbst, trennen wir uns von dem Gerenne unseres kleinen Hunde-Selbst. Dann kommt irgendwann der Punkt, an dem können wir die Leine loslassen. Denn dann wissen wir um die Farce, die uns der kleine Hund ständig auftischt. Wir wissen um seine Bemühungen anzukommen und uns in Sicherheit zu bringen und verstehen aber auch, dass wir es niemals sein können, wenn wir dem Hund weiter dabei folgen, von einem Baum zum nächsten zu rennen. Er wird nie aufhören. Auch wenn er uns noch so viele plausible Gründe bringt, warum wir es tun sollten.

Der Bruch mit uns selbst ist der Schritt in wirkliche Selbstbestimmung und Freiheit.

Wahre Freiheit ist nicht, an einem schönen Ort zu wohnen, tun und lassen zu können, was man will und alles geregelt zu haben. Denn: du wirst niemals tun und lassen können, was du willst, sondern immer nur, was dein kleines Hunde-Selbst will. 

„Wenn wir nicht mehr müssen, was wir wollen, können wir tun, was wir möchten.“

So oder so ähnlich hat es Yogananda in seinem Buch „Autobriographie eines Yogi“ gesagt.

Selbst am schönsten Ort, mit dem schönsten Partner, mit dem meisten Geld und dem tollsten Job: Du hast deine Angst dabei. Was ist mit dem Geld? Es muss abgesichert werden. Ist die Bank sicher, auf der das Geld liegt? Solltest du es nicht lieber anlegen? Dein Partner hat sich verändert. Passt ihr noch zusammen? Wieso plötzlich hast du kein Interesse mehr? Vielleicht hast du Kinder. Eines fängt an, sich merkwürdig zu verhalten. Wieso nur auf einmal? Du hast bisher gern getan, was du getan hast. Doch langsam verlierst du die Lust. Soll das schon alles gewesen sein? Bist du dir wirklich sicher, dass du das hier für immer machen willst? Du bist angekommen, sagst du dir. Alles stimmt. Doch bist du dir wirklich sicher? Irgendwas stimmt noch nicht so ganz. Vielleicht solltest du mal wieder verreisen. Oder mal was allein machen. Oder mal was ganz anderes. Ein kleines Drücken in der Brust kann zu einem großen Stich werden. Einen Stich, den wir die ganze Zeit schon befürchteten, es uns aber nie eingestehen wollten und deshalb alles mögliche getan haben, ihm zu entfliehen.

Nein, Freiheit besteht nicht darin, sich in Genuss zu baden und es sich selbst ständig recht und gemütlich zu machen.

Wahre Freiheit heißt, die Leine loszulassen. Sich selbst loszulassen.

Und das bedeutet: Schmerz fühlen, bereit sein, sich zu hinterfragen, sich in der größten Anspannung zu entspannen, nicht mehr auf sich zu hören, wenn wir uns einreden, wir wären noch nicht am Ziel. Und es dann auch zuzulassen, dass wir bereits am Ziel sind und die inneren Einwände, die Unruhe und die Gedanken loszulassen, die uns einreden wollen, wir müssen etwas tun, ansonsten wären wir gescheitert, unglücklich, würden aufgeben, kapitulieren und sich nie etwas zum besseren ändern. Es ändert sich alles zum besseren. Und zwar genau dann, wenn wir den Teil in uns loslassen, der anderer Meinung ist. Der Teil, der Einwände hat, der Argumente bringt und Gründe aufführt. Der uns überreden will, warum es so, wie es ist, nicht gut ist, und warum es morgen besser ist, vorausgesetzt wir würden dies und das ändern. Entfernen wir uns von diesem Teil in uns, spüren wir die große Freiheit. Von da an geht es erst richtig los. Dann sind wir nicht mehr Gefangene unserer Aggressionen, Depressionen, Neurosen und Bedürfnisse. Dann sind wir frei, tun zu können, was wir wirklich wollen: Glücklich sein. Und das unabhängig von Umständen. Unabhängig von Bedingungen oder davon, wie sich etwas entwickelt, was wir tun. Unabhängig also vom Ergebnis unseres Handelns. Dann kommen wir mit jedem Schritt an, in jedem Moment, mit allem, was wir tun. Dann versuchen wir nicht mehr unser Leben zu verlängern oder zu verschönern, sondern nur noch zu vertiefen. Dann werden wir gegenwärtig und lebendig. Und wir leben nicht mehr aus dem alles zerteilenden Verstand, sondern aus unserem Herzen mit einem Inneren Ja zu Leben.

Diese Haltung des inneren Ja, des Lebens aus dem Herzen und der Des-Identifikation mit dem eigenen kleinen Selbst ist, was ich „souverän“ nenne.

Denn souverän zu sein bedeutet, wir können jederzeit frei und selbstbestimmt entscheiden, wie wir uns fühlen wollen, wir wir reagieren möchten, was wir als nächstes tun wollen und wie wir dem Leben gegenüber eingestellt sind. Dann kann ich, obwohl mir mein kleines Selbst sagt, dass gerade alles scheiße ist, erkennen, dass das Leben auch genau dann wundervoll ist, wenn ich mir sage, dass alles scheiße ist. Ich renne meinen Impulsen nicht mehr blind hinterher. Ich übernehme Eigenverantwortung über mich, meinen Umgang mit Schmerz und der Jagd nach Bedürfnisbefriedigung. Ich ermächtige mich selbst, mir nicht mehr zu glauben und die Welt schlecht zu reden, sondern entscheide mich für mein Glück. Egal was ist. Egal was kommt. Ich bin glücklich. Und alles, was mir das Ausredet – inklusive dem Gedanken, ich würde mir die Welt nur schön reden – lasse ich fallen. Ich gehe aufrecht durch diesen Schmerz, der entsteht, wenn ich nicht mehr auf mich höre. Und ich steige aus diesem Feuer der Selbst-Verbrennung empor in die Freiheit meines wahren Selbst, welches eins mit dem Leben ist und jede Sekunde genießen kann, weil es die Schatten seines inneren Dämons beleuchtet und erloschen hat.

Das einzige was dich von deinem Glück trennt, bist du selbst.

Erkennst du dich selbst, kannst du dich von dir befreien und dich und somit dein Leben so verändern, wie du es wirklich vom Herzen her möchtest und nicht, wie du es von deinem Verstand und deinem Wollen her gezwungen bist zu tun.

Jetzt bist du frei. Frei von dir selbst. Und auf dieser Seite angekommen spürst du die Kreativität, die Ideen, die Energie und Fügungen im Leben, die dich unterstützen. Dann bist du mit dem Leben, statt gegen dieses. Und du wirst dich fragen, warum du es dir bisher immer nur so schwer gemacht hast. Du wunderst dich, warum du bisher so gezögert hast, diesen Schritt zu gehen. Dabei war es doch so leicht. Und dann kommt alles zu dir. Weil alles schon da ist, was du immer im nächsten Moment gesucht hast. Jetzt bist du wahrhaftig angekommen. In dir selbst. Und in deinem Leben. Grundlose Freude, friedvolles Sein. Wundervolle Demut. Ein einziges Danke bleibt.

Wenn du dich selbst erkennen, befreien und verändern willst, empfehle ich dir mein Buch „Der Schattenwolf in dir“, in welchem ich dir die nötigen Erklärungen und Übungen für einen tiefgreifenden Lebenswandel gebe.

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