Der Unterschied zwischen stillem Sitzen und aktiven Meditationen

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Stilles Sitzen, absichtsloses Verweilen, das Ruhen im Augenblick, Versunken in vollkommener Gegenwärtigkeit – so wird es in zahlreichen Traditionen geübt. Im Zen-Buddhismus gibt es in der Soto Linie die Praxis des Zazen, in der man vor einer Wand mit leicht geöffneten Augen sitzt. Der Blick ist dabei einfach ruhend vor einem, ohne Fokus, ohne etwas anzuvisieren. 

Eigentlich geht der Blick auch hier mehr ins Innere. Sitzen. Der Körper kommt zur Ruhe. Der Geist zentriert sich. Keine Reaktion mehr auf Gedanken und Gefühle. Alles darf da sein, alles darf kommen, alles darf auch wieder gehen. Nach einer Weile entwickelt sich ein Bewusstsein, welches um all diese Geschehnisse herum existiert. Ein Bewusstsein, dass schon vor allen Erscheinungen da war und auch nach allen Erscheinungen bleibt. Es ist ein Zustand der Ich-Losigkeit, wenn alles an Identität, Erinnerungen an eine erzählte Geschichte oder an eine vorhersehbare Zukunft abfällt. Wenn nur noch Bewusstsein im endlosen gegenwärtigen Augenblick übrig bleibt. 

Auch andere Traditionen verweilen in dieser Stille, in der nichts da zusein scheint und doch alles vorhanden ist. Manche mit halboffenen Augen, manche geschlossen. Immer in der Übung darin, die Illusion zu durchbrechen. Was ist die Illusion? Dass es ein Ich gibt. Dass es ein Ich gibt, das getrennt von allem ist und in der Zeit aus Vergangenheit und Zukunft lebt. Dass dieses Ich denkt, es müsse etwas tun, um anzukommen, um nach Hause zu finden. Ein Ich, das Angst vor dem Tod hat und deswegen den gegenwärtigen Moment nicht akzeptieren kann, denn hier herrscht Frieden und Ankommen. Hier herrscht Einheit und Ewigkeit. Aber hier herrscht nicht der Zustand von Mehr, von Haben wollen, von Brauchen, von Hinzufügen. Zustände, die das Ich aber braucht, um am Leben zu bleiben. Vielmehr hat es Angst, weil es sterben wird, wenn wir merken, dass dieses Ich nur ein Gedankenkonstrukt ist, ein Konzept aus Erinnerungen und Wünschen. Fällt das alles ab, stirbt das Ich. Doch etwas bleibt. Du bleibst. Dein wahres Selbst, was nun endlich Ausdruck in der Schönheit des jetzigen Augenblickes erfährt. Es erkennt sich selbst als schon immer da gewesen und nie verschwunden. Als Teil und Quelle von allem. Als Einheit und Verbunden mit der ganzen Schöpfung. Als Schöpfung selbst. Hier herrscht das Unbekannte, das Spontane, das Lebendige, was sich sehr oft in feiner oder auch starker innerer Freude bemerkbar macht. Eine unendliche Quelle innerer Elektrizität in jeder Zelle. Das Universum tanzt in dir und durch dich durch. 

Aktive Meditationen sind das Gleiche, nur eben mit Bewegung.

Der Körper darf sich seiner Anspannung entledigen, darf sich ausdrücken, darf Emotionen und Energie freisetzen, darf sich von dem Lösen, was ihn beklemmt und erdrückt. Der Geist dabei lässt los. Er schiebt nicht an, er kontrolliert nicht, er forciert nicht. Er lässt geschehen. Auch hier treten wir aus unserem Denken raus und tauchen ein in die Schönheit des spontanen Moments, in die Art und Weise, wie das Leben, das wir sind, seinen persönlichen Ausdruck sucht. Von Moment zu Moment. Die Anspannungen des Tages und unserer Vergangenheit schütteln wir ab. Festgehaltene Muster durch unser wiederholtes Denken und unseren Glauben lassen wir los. Wir halten nicht mehr fest. Der Körper kann allmählich in seine Homöostase – sein Gleichgewicht – zurückfinden. Das Nervensystem beruhigt sich, reguliert sich selbst wieder auf sein Ruheniveau. Emotionen finden Ausdruck und Raum sich bewegen und lösen zu können. Raum, der durch den äußeren Ausdruck auch inneren Raum schafft. Erholung, Entspannung und dann Freude am Sein. Innerer Frieden und das Gefühl angekommen zu sein. Ein Moment, zu dem nichts mehr hinzugefügt werden muss, damit er perfekt ist. Ein Moment, in dem das kleine Ich dem großen Ich weicht. Bewegungen entstehen nun nicht mehr aus einem Gedanken heraus oder einer Absicht. Bewegung entsteht aus sich heraus. Du bist es zwar, der sich bewegt, aber du bist es nicht, der bewegt. Es bewegt sich einfach. Du bist Zeuge und Bewegung zugleich. Ohne ein Ich, dass das Leben wahrnimmt, sondern als Leben selbst, das seinen Ausdruck feiert. Ganz gleich, wie das aussieht oder sich anfühlt. Es fließt, wie Wasser. Das gesamte Leben kommt in seine fließende Lebendigkeit zurück. 

Weißt du, alles findet nur in dir statt. Außerhalb von dir gibt es nichts.

Jeder Sinneseindruck, jeder Reiz, einfach alles, was du erlebst, erlebst du nur in dir! Wenn es dich nicht gäbe, gäbe es die Welt, wie sie dir erscheint, nicht. Es gibt keine allgemeingültige Realität. Das Leben ist individuell. Stilles Sitzen als Meditation gibt dir die Möglichkeit, das Leben in dir zu beobachten. Gedanken und Gefühle und deren Beziehung kennenzulernen und in das Leben direkt einzutauchen. Daher ist Meditation keine Flucht vor dem Leben, sondern der mutige Sprung hinein. Aktive Meditationen – wie es Tanz, Kunst, Bewegung, Singen, Schreien und Hüpfen sein kann – ist genau das Gleiche. Ob sich Gefühle in deinem Körper bewegen, verändern und vergehen und du dies alles beobachtest, oder ob genau das gleiche passiert, nur dass der Körper in einen Ausdruck dabei geht, spielt keine Rolle. Wichtig ist nur, dass du dich nicht einmischst, dass du geschehen lässt, was geschehen will, dass du nicht kontrollierst, anschiebst oder wegschiebst. Lass das Leben sich ausdrücken. Und das tut es immer über Gefühle, die immer nur in dir stattfinden. Beobachte. Sitzend oder tanzend. Es spielt keine Rolle, da das Außen nur ein Spiegel deines Inneren ist und umgekehrt.

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